Steckbrief

Roy –

Ninja Rennmaschine, Lindy Hop & Stimmstöcke

Wie bist du dazu gekommen, Klavierbauer zu werden?

In der Schulzeit habe ich viel Basketball gespielt und bin auch zeitweise auf eine Sportsekundarschule gegangen. Als ich mich dann beim Berufsinformationszentrum informiert habe, haben sie mir leider nicht empfohlen Basketballprofi zu werden. Eine Ausbildung zum Klavierbauer war dann das, was mir damals am meisten zugesagt hat.

Ich habe daraufhin meine Lehre bei dietschi pianos absolviert. Da habe ich auch Laura Sigrist kennengelernt. Als ich im zweiten oder dritten Lehrjahr war, fing sie damals bei uns die Ausbildung als Klavierbauerin an.

Und hat das Berufsinformationszentrum dich letztendlich gut beraten?

Ja, generell bin ich sehr froh, dass ich so etwas Praktisches gelernt habe. Der Ausbildungsbeginn liegt jetzt mehr als 10 Jahre zurück – im Laufe der Zeit habe ich mich schon ab und zu gefragt, ob es das Richtige für mich ist.

Deswegen habe ich nach der Lehre auch zwei kleine Abstecher in andere Berufe gemacht. Zunächst war ich als Unteroffizier im Militär tätig, danach auch eine Weile als Assistent im Rettungsdienst in Arosa, einem Schweizer Bergdorf.

Vor einigen Jahren traf ich dann durch Zufall wieder auf Laura und habe mich seitdem erneut dem Klavierbau gewidmet. Der Beruf passt jetzt wieder sehr gut für mich – vor allem in dem Team. Über die Jahre habe ich realisiert, dass mir das Umfeld am wichtigsten ist, also mit welchen Menschen ich meine Tage verbringe und das passt so in unserem kleinen Familienunternehmen sehr gut für mich.

Spielst du selber Klavier?

Ich habe früher relativ lange Klavierunterricht genommen, aber habe jetzt einfach ewig nicht mehr geübt. Meine Musikkarriere habe ich anfangs (natürlich) mit der Blockflöte gestartet und dann mit 9 Jahren das erste Mal Klavier gespielt. Meine Mutter war letztendlich die Türöffnerin zur Musik, da sie selber singen gegangen ist und Klavier gespielt hat. Sie hat uns auf jeden Fall ermutigt, das Musizieren auszuprobieren.

Einige Stücke kann ich noch auswendig. Ich sage jetzt schon viel zu lange, dass ich wieder anfangen sollte zu üben. Das Jazz-Benefizkonzert letztens hat mich schon umgehauen. Léia hat mit ihrem Hintergrundwissen wirklich besondere Jazzmusiker eingeladen. Ich glaube, ich habe noch nie so gute Jazz-Musik live in einem so schönen privaten kleinen Rahmen genossen.

An dem Abend dachte ich mir nur, wenn ich wieder anfange Klavier zu üben – dann so – in einem Jazzstyle. Das reizt mich schon sehr, besonders weil ich jetzt auch schon seit 8 Monaten zu Lindy Hop (ähnlich zu Swing-Musik) Tanzveranstaltungen in St. Gallen, Winterthur und Zürich gehe.

Ausserdem habe ich definitiv die typische “Klavierbauer-Krankheit”: Wenn ich im Geschäft von A nach B laufe, kann ich an dem ein oder anderen Schmuckstück nicht vorbeilaufen, ohne zumindest eine Taste zu spielen.

Du magst also Jazz, Swing, Blues & Co – wie sieht’s aus mit Metal?

Ich höre wirklich so ziemlich alles. Da kann erst Metal kommen, dann ein Jodel, gefolgt von Drum’n & Bass und danach am besten einer meiner Lieblingspodcasts wie Gemischtes Hack oder Helden der Meere. Bei letzterem werden Menschen interviewt, die irgendwas mit dem Meer zu tun haben. Also sprich Berufstaucher, Segler oder Greenpeace-Aktivisten – sehr interessant!

Man hört, du polierst gerne Oberflächen?

Ja, das Gerücht stimmt! Also klar, wenn ich jetzt zwei Wochen am Stück nur poliere, dann wird mir das irgendwann auch ein bisschen monoton. Aber ich bin schon echt perfektionistisch, was Oberflächen angeht und will, dass sie besonders schön aussehen. 

Bevor man Oberflächen perfekt poliert, kann man sie aber auch erst einmal perfekt lackieren. Ich habe gerade ein tolles Projekt, wo ich ein Gebrüder-Glaser Klavier matt schwarz lackiert habe. Das war ursprünglich ein schwarzes Klavier in Hochglanz, aber der Lack musste dringend erneuert werden.

Sind schwarz matte Instrumente mittlerweile mehr angesagt als schwarze Hochglanz Pianos?

Schwarzer Hochglanz ist sicherlich immer noch die geläufigste Farbe. Man sagt ja, mit schwarz kann man nichts falsch machen. Bzgl. der Mattierung, kommt der Trend mit etwas Verzögerung vielleicht von den Autos. Schwarz matt haben nicht alle, aber es sieht eben auch echt gut aus.

Wir können das hölzerne Gehäuse eines Pianos auch schwarz beizen, womit gemeint ist, dass das Holz eingefärbt wird und nicht mit einer schwarzen Schicht überzogen, sodass es noch etwas sichtbar ist. Davon bin ich derzeit ein grosser Fan! 

Ich habe auch bei der letzten Werkstattsitzung erwähnt, dass ich es spannend fände, wenn wir mal ein Instrument komplett anders gestalten würden. Warum nicht mal eins in metallic mitternachtsviolett lackieren? Ich meine, bei Autos und Motorräder sind besondere Lackierungen und Muster schon viel verbreiteter – warum nicht auch für Pianos?

Was hältst du von dem Gehäuse des Steinway & Sons Nr.1?

Der Flügel hat schon einen besonderen Touch mit seinem Flammenmahagoni-Furnier. Ich denke da hat sich der Gründer von Steinway & Sons schon was bei gedacht, als er ihn vor fast 200 Jahren in seiner Küche entworfen hat.

Wir haben ein seltenes Replikat des Steinway & Sons Nr.1 bei uns im Geschäft, das original getreu restauriert wurde. Moralisch und geschichtlich gesehen, wäre es eher verwerflich noch etwas an der Oberfläche zu ändern. Aber wenn, dann kann ich mir vorstellen, dass er schwarz gebeizt auch echt gut aussehen würde. Also dass man ihn schwarz einfärbt, aber trotzdem das besondere Holz weiterhin durchschimmert.

Du kannst aber nicht nur lackieren und polieren, oder?

Nein, das macht mir nur besonders viel Spass. Das erwähnte schwarz matte Gebr. Glaser Klavier habe ich komplett revidiert. Ich habe den Resonanzboden, teilweise kompliziert, ausgespänt, ein Teil des Stegs ersetzt und die Mechanik setzen wir neu auf mithilfe von François-Jérôme Vincent. Er ist Spezialist darin, Klavier- und Flügelmechaniken neu zu designen.

Vor allem habe ich auch den Stimmstock erneuert. Das ist eine coole, aber auch recht aufwendige Arbeit. Der Kunde hat in der Vergangenheit im Ausland gelebt und das Klavier bei seiner Rückkehr mit in die Schweiz genommen. Es hat einen emotionalen Wert für ihn, deswegen lässt er es nun komplett von uns überarbeiten.

Was ist ein Stimmstock und wann muss er erneuert werden?

Ein Stimmstock besteht entweder aus einem Stück Massivholz oder aus einem Stück schichtverleimtem Holz. Dann gibt es metallene Stimmwirbel, die in den Stimmstock reingedreht werden. Auf den Stimmwirbeln sind die Saiten aufgewickelt – an welchen wir Klavierbauer das Instrument stimmen.

Der Stimmstock muss durch die Befestigung der Saiten an den Wirbeln erheblichen Zugkräften standhalten. Wenn dieser Risse bekommt, lockern sich die Wirbel und die Saitenspannung und Stimmstabilität lässt nach. Eine schlechtere Stimmhaltung mindert dann letztendlich den Klang und den Wert des Instruments. Eine zu geringe Luftfeuchtigkeit in Räumen kann ein Grund für das Auftreten von Rissen sein.

Wie viel Handarbeit steckt im Ersetzen eines Stimmstockes?

Einen neuen Stimmstock herzustellen, ist schon sehr präzise Schreinerarbeit. Wir haben die Wirbel aus dem alten Stimmstock herausgenommen und dann die Wirbelfelder, wo die Wirbel drin steckten, eins zu eins auf ein neues Stück Holz übertragen. Es lohnt sich, genau zu arbeiten. Es lohnt sich auch, Maschinen zu haben, mit denen man viel Zeit sparen kann.

Wir haben glücklicherweise eine spezielle Fräse zum Kopieren von Stimmstöcken, die extra für uns angefertigt wurde. Das Ganze ist einer grössere Revision, die meiner Kenntnis nach wenige Klavierbauer machen. Da sollten wir Klavierbauerkollegen uns sicher gegenseitig unter die Arme greifen, je nachdem, wer das passende Werkzeug und die meiste Erfahrung in speziellen Reparaturtechniken hat, die nicht alle Tage vorkommen.

Übrigens, Tipp vom Oberflächenprofi: es darf keine Flüssigkeit zwischen Stimmwirbel und Stimmstock dringen. Das würde einen Totalschaden, oder auf jeden Fall hohe Reparaturkosten bedeuten. Deswegen immer ein Reinigungsmittel vom Instrument weg gerichtet auf einen Lappen sprühen und dann das Instrument liebkosen.

Wie sieht denn eine typische Arbeitswoche für dich aus?

Montags bis donnerstags findet man mich in der Werkstatt zusammen mit Léia, Nicole und Daniel. Ich bin definitiv der Werkstatt-Typ, im Aussendienst bin ich nicht unterwegs. Jeder von uns überarbeitet ein Instrument von A bis Z, aber wir unterstützen uns definitiv auch untereinander.

Freitags arbeite ich in einem Motorradgeschäft (SLC Motorbikes), die massgefertigte Motorräder (Custom-Bikes) herstellen und Spezialwünsche (wie besondere Lackierungen!) erfüllen.

Du teilst deine Woche so auf, weil du Motorräder so liebst?

Kann man so sagen, ja. Ich schätze die Abwechslung schon sehr, einen kleinen Teil meiner Woche noch mit anderen wertvollen handgearbeiteten Einzelstücken zu verbringen – nur diesmal auf zwei Rädern. Ich habe in der Vergangenheit auch mal bewusst nur 60 % der Woche gearbeitet, und das hat mir dann auch die Freiheit gegeben, den einen Tag in der Motorradwerkstatt in Betracht zu ziehen und dann umzusetzen.

 

Welches Motorrad hast du selber?

Eine Rennmaschine namens Suzuki GSX-R 600. Ich liebe die Geschwindigkeit, den Sound und Look von diesen Rennmaschinen. Alle Motorräder sind cool, aber der grösste Teil meines Herzens gehört schon diesen Supersportlern. Sie sind eigentlich dafür gemacht , Leistung auf der Rennstrecke zu bringen, aber machen auch sehr viel Spass im Alltag. Die nächste Maschine, die ich mir zulegen würde, wäre wohl eine Kawasaki ZX-10R, auch Ninja genannt.

Abschliessend – hast du schon Pläne für die anstehenden Betriebsferien Ende Juli?

Ja, ich möchte eine gute Freundin für 3 Wochen in Japan besuchen, die gerade auf Weltreise ist. Von genau der Freundin steht übrigens gerade ein Klavier in meiner Wohnung. Sie hat ihre Wohnung aufgelöst und ihr Piano bei mir sozusagen eingelagert.

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