Steckbrief
Laura Sigrist – Singen, Pferde & Tirol
Laura, was hat dich ins Zürcher Oberland gebracht?
Meine Schwester und mein Onkel lebten beide schon einige Jahre in der Schweiz, als ich noch in Österreich studierte. Es gab also schon lange eine familiäre Verbindung zur Schweiz. Ursprünglich komme ich aus Tirol in Österreich – aus dem wunderschönen Innsbruck, umgeben von Bergen.
Mit 17 bin ich dann nach Salzburg gezogen und habe dort 4 Jahre lang gelebt und unter anderem Lehramt für Deutsch, Geschichte und Politische Bildung studiert. Nach der Ausbildung hatte ich im Kopf, mir eine Stelle in der Schweiz zu suchen.
Waren das auch schon deine Lieblingsfächer in der Schule?
Ja, absolut. Deutsch, weil ich selbst wahnsinnig gerne lese und schreibe. Geschichte – ich glaube, das steht und fällt mit dem Geschichtslehrer bzw. -lehrerin. Ich hatte Glück: Ich ging auf eine katholische Privatschule, und wir hatten noch die letzte Nonne als Lehrerin.
Sie war wirklich die beste Geschichtslehrerin der Welt. Sie hat es irgendwie geschafft, die Zusammenhänge sehr spannend und kindgerecht zu erklären. Wie sie ihre Stimme eingesetzt und erzählt hat, war einfach beeindruckend.
Du schreibst gern – was genau?
In meiner Jugend habe ich mal einen Fantasy-Roman geschrieben. Ich bin wirklich stolz, dass ich das durchgezogen habe, auch wenn es überhaupt nicht mehr dem entspricht, wie ich so etwas heute machen würde. Der Name des Romans ist Armenum – so heisst das Land, in welchem die Geschichte spielt – und wurde wohl am meisten von Herr der Ringe inspiriert. Ich konnte sogar ein paar Exemplare als E-Book verkaufen.
Ich bin wirklich an vielen Dingen interessiert und möchte immer etwas Neues lernen. Als Kind wollte ich Bäuerin werden, weil ich Tiere so sehr liebe, dann später Journalistin – am liebsten Auslandskorrespondentin, um Geschichte wirklich zu erleben und darüber schreiben zu können. Aber ich hatte kurz vor Beginn des Studiums der Kommunikationswissenschaft Angst, am Ende doch bei einem Klatschmagazin zu landen.
Wie bist du dann neugierig auf den Beruf Klavierbauerin geworden?
Ich hätte, um als Lehrerin zu arbeiten, noch einmal in der Schweiz studieren müssen, aber ich hatte die Nase gestrichen voll von theoretischer Wissensvermittlung. Im August 2015 kam ich von einem Beratungsgespräch an der Pädagogischen Hochschule zu den Sigrists nach Hause und nur Beni war da.
Da meinte ich zu ihm, dass ich jetzt wirklich mal was Praktisches machen will. Gefundenes Fressen für ihn – er war ja schon immer total engagiert in der Ausbildung von Klavierbauern und meinte dann: «Du kannst ja Klavierbauerin werden.»
Vor diesem Abend hatte ich in meinen Uniferien nur mal mit Josias Tasten geschliffen. Dann aber hat mich Beni einen ganzen Tag zum Stimmen in eine Musikschule mitgenommen. Er musste ja erstmal schauen, ob ich überhaupt für den Beruf geeignet wäre, ob ich das Gehör habe oder vielleicht auch zwei linke Hände. Anschliessend haben wir noch unten bei den Sigrists im Keller Rollen an einem Klavier montiert, und dann hat Beni entschieden, dass ich durchaus brauchbar wäre.
Josias war zu der Zeit nicht mal in der Schweiz, weil er gerade ein Praktikum in New York bei Faust Harrison gemacht hat. So musste ich das fast ein bisschen alleine entscheiden.
Über Skype habe ich Josias dann gesagt: «Hey, ich mache jetzt was Neues, ich will Klavierbau lernen.» Dann haben wir das natürlich richtig besprochen, und Josias hat auch den Vorteil gesehen, dass wir da was zusammen draus machen können. So entstand überhaupt die Idee, dass wir mal ein gemeinsames Geschäft haben könnten.
Wenn man einmal alleine mit Beni zu Hause ist, was?
Ja, seitdem lässt mich Josias nicht mehr mit ihm alleine (lacht). Besprochen, getan – so habe ich von 2015 bis 2019 meine Lehre bei Dietschi Pianos gemacht. Dort habe ich auch Roy kennengelernt, der Lehrling im 4. Lehrjahr war, und somit damals mein Oberstift. Schon da, als die Ausbilder von meinem pädagogischen Hintergrund gehört haben, haben sie mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, später mal an der Berufsschule zu unterrichten, weil sie da Leute brauchten.
Nun, 9 Jahre später unterrichtest du dort wirklich?
Ja, genau, 9 Wochen im Jahr unterrichte ich an der Berufsschule für Musikinstrumentenbauer. Fachunterricht im Klavierbau, aber auch allgemeinbildenden Unterricht. Letzteres ist ein wirklich geniales Fach – eigentlich bringt man den Schülern bei, wie das Leben funktioniert. Wir besprechen z. B. Versicherungen, Mietverträge, Steuererklärungen oder wie man eine gute E-Mail schreibt, aber auch Themen wie Konfliktbewältigung, Kommunikationsstrategien oder Budgetplanungen werden behandelt.
Ein kleines Detail fehlt noch – wie hast du Josias kennengelernt?
Der Mann meiner Schwester ist der beste Freund von Josias’ älterem Bruder. So haben wir uns kennengelernt und auch mal Silvester zusammen in ihrer Berghütte gefeiert. Als Josias dann in Montreal in Kanada war, hat sich paradoxerweise ein engerer Kontakt entwickelt.
Zunächst war es also eine Extremfernbeziehung mit vielen Gesprächen um 3 Uhr morgens, wegen der Zeitverschiebung. Ich war dann aber auch im Sommer 2 Monate bei ihm und habe ihn noch einmal für eine Woche überrascht. Weihnachten 2014 kam er dann, nach 2 Jahren aus Kanada zurück, und im Frühling 2015 sind wir endlich in der Schweiz zusammengezogen. Heute leben wir alle im gleichen Ort – Beni & Judith, Josias’ älterer Bruder & seine Familie und Josias & ich. Wir sind nah beieinander und brauchen nur 15 Minuten mit dem Auto zum Geschäft.
Ausser dass du nun eine Sigrist bist, hast du noch eine Namensänderung hinter dir?
Nein, nur, dass ich seit 3 Jahren auch Mama genannt werde – das fühlt sich sehr gut an. Unsere 2 Söhne, Linus und Simon sind 2021 und 2023 geboren – jetzt haben bei uns alle in der Familie Jungs, zusammen könnten wir fast eine ganze Fussballmannschaft bilden.
Wie teilst du deine Woche zwischen Kindern und Arbeit auf?
Ich bin mittwochs den ganzen Tag und freitags einen halben Tag im Büro – ansonsten bin ich bei den Kindern. Das war uns wichtig, dass wir die Kinder, wenn möglich, nicht fremdbetreuen lassen. Mittwochs ist Papa-Tag, und Judith & Beni (auch als Nani & Opi bekannt) übernehmen den halben Freitag.
Was sind deine Kernaufgaben mittwochs und freitags?
Hauptsächlich kanalisiere ich Josias’ unglaubliches Ideenspektrum ins Machbare. Josias war schon immer unser Zugpferd – er hat eine Idee, wir springen auf und machen die Bahn für ihn frei, damit er seine Ideen gut umsetzen kann. Diese Kreativität hat er sicher auch ein bisschen von Beni geerbt.
Ich bin auch für das Wohlbefinden unseres Teams verantwortlich. Das heisst, ich organisiere alles Administrative für unsere Angestellten, aber bin auch diejenige, die mal eine Runde macht und fragt, wie es allen denn so geht.
Zudem lernt Judith mich in alle Buchhaltungs- und Finanzthemen ein. Da habe ich wirklich die beste Lehrerin, weil sie unglaublich viel Erfahrung hat, von der ich profitieren darf. Ich hatte bisher noch nie eine Frage, auf die sie keine Antwort wusste.
Sind die Kinder manchmal mit im Büro?
Ab und zu – aber wir halten das eher getrennt. Wir haben eine Spielecke, und wenn sie hier sind, finden sie es auch voll cool, zu Papa oder Opi zu gehen. Dann wollen sie sehen, was alle machen. Als Opi letztens die Tasten bei einem Klavier eingerichtet hat, durfte Linus ihm helfen und war mega stolz darauf.
Linus findet es auch ganz toll, wenn Maria Italienisch mit ihm redet. Er findet es dann immer sehr lustig «Buongiorno Maria», «Mozarella» oder «Stracciatella» zu sagen. Ausserdem geht er zu Corinne ins Büro, weil er weiss, dass dort ein Apfel bereitliegt, den sich die beiden dann teilen.
Hast du selber mal Klavier gespielt?
Während der Klavierbauausbildung habe ich Klavierunterricht genommen, und es hat mir grossen Spass gemacht. Wir haben uns dann auch ein Klavier zugelegt für zu Hause: ein Kawai K-300 ATX4. Das wird auch regelmässig von den Kindern bespielt. Ob das jetzt schön klingt, ist eine andere Frage, aber die beiden sitzen echt gern davor. Wenn die Kinder ein bisschen älter sind, will ich das wieder mehr angehen, weil mir das wirklich Freude gemacht hat.
Hat das Klavier ein Stummschaltungssystem?
Ja, genau, die Stummschaltung ist einfach lebensrettend. Wenn die Kinder am Sonntag drauf rumhauen, schalte ich die Stummschaltung ein, setze die Kopfhörer auf, und dann hört das niemand mehr. So konnte ich während der Ausbildungszeit üben, und so werde ich auch in Zukunft üben, wenn die Kinder schlafen.
Nebst der Stummschaltung haben Josias & ich uns genau für dieses Modell entschieden, weil es ein wunderschönes Klavier mit tollem Klang und einem der besten Preis-Leistungs-Verhältnisse ist.
Was ist das schickste Piano im Laden, an das die Kinder (noch) nicht dürfen?
Rein optisch finde ich den Steinway A-188 aus schwarz gebeiztem Holz, bei dem man die Holzstruktur noch sieht, besonders schön. Der Flügel ist von 1901 – was man auch am verschnörkelten Schriftzug und dem besonderen Notenpult erkennt.
Er wurde von der Klangmanufaktur in Hamburg komplett überarbeitet, die sich auf die Reparatur von Steinway & Sons spezialisiert hat. Mit dem Team arbeiten wir auch wunderbar zusammen – eine Lernende von uns war ein paar Wochen bei ihnen, und andersrum.
Uns ist es wichtig, dass unsere Lernenden auch andere Werkstätten sehen. Jasmin Tan, unsere ehemalige Lernende, haben wir in Kontakt mit Kawai in Japan gebracht. Dort hat sie einen Kurs belegt, war begeistert und hat darüber auch für den Schweizer Verband der Klavierbauer einen Artikel geschrieben.
Dieses Jahr werden wir bei der Weihnachtsfeier Nicole mit einem weinenden und einem lachenden Auge für ein halbes Jahr nach Kanada verabschieden. Sie möchte dort gerne Englisch lernen, etwas als Klavierbauerin arbeiten und einfach das Abenteuer geniessen. So müssen wir ein halbes Jahr ohne sie überbrücken.
So viele Frauen, die ihr bereits als Klavierbauerinnen ausgebildet habt, aber bei den Werkstattkonzerten 2024 haben meist Männer gespielt?
Ja, das stimmt – aber für die Werkstattkonzerte 2025 haben wir nun alle Zusagen, und über 60 % der Künstler werden Frauen sein. Zudem wird Daria Vasileva bei ihrem Konzert am Valentinstag nur Musik von Komponistinnen aus der ganzen Welt spielen – von einer italienischen, schweizerischen, venezolanische Komponistin usw. – das wird wunderbar!.
Hast du jemals ein Konzert gegeben?
Am Klavier nicht, aber mit der Gitarre habe ich bei einigen Klassenkonzerten gespielt und auch zweimal an einem Wettbewerb teilgenommen, da ich über 10 Jahre lang (Konzert-)Gitarre gespielt habe.
Was mich auch schon mein ganzes Leben begleitet, ist das Singen. Meine Mama hat schon immer viele tirolerische Kinderlieder im Kanon mit uns gesungen. Tatsächlich waren alle – meine Mutter, mein Vater, mein Bruder und meine Schwester – in Chören unterwegs.
Meine Schwester ist mein persönlicher Gesangsstar – wie sie sich neben Beruf und Kindern immer noch dem Singen widmet, zeugt von wahrer Liebe zum Gesang. Ich bin wirklich stolz auf sie, und sie ist auch wirklich gut darin. Sie hat vor kurzem zum ersten Mal einen kleinen Abend in unseren Räumen gestaltet, bei dem sie Arien aus verschiedenen Opern gesungen hat. Ihr so etwas ermöglichen zu können, war für mich eine wahre Freude!
Werden jetzt auch Weihnachtslieder bei euch gesungen?
Ja, das Singen ist etwas, was ich ganz fest mit der Weihnachtszeit verbinde. Linus ist Ende November 2021 zur Welt gekommen, also waren die ersten Lieder, die ich ihm vorgesungen habe, Adventslieder. Josias singt auch gut und hat von mir einige Lieder gelernt, und da singen wir gerne zusammen.
Auch abseits der Weihnachtszeit singe ich mit unseren Buben, begleite sie auf der Gitarre und gehe mit ihnen zum Kindersingen – das macht mir richtig Freude.
Wenn du ganz für dich bist, was hörst oder liest du dann?
An Musik höre ich so ziemlich alles, ausser Metal. Einen YouTuber namens Kiffnes finde ich sehr talentiert, der z. B. dafür berühmt ist, Katzenvideos in Musikstücke zu verwandeln.
Aber mich fasziniert auch die Welt der klassischen Musik. Mein absolutes Lieblingswerk ist der Donauwalzer. Der läuft bei uns traditionell am 31.12. um Mitternacht und Josias und ich «tanzen» dazu ins neue Jahr. Da dieser Walzer am Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker immer als Zugabe gespielt wird, hört man so schön, wie unterschiedliche Dirigenten ihren Einfluss auf ein Werk ausüben können.
Dann bin ich aber auch noch durch und durch ein Harry-Potter-Kind – ich habe lange noch gehofft, dass doch noch eine Eule mit der Einladung nach Hogwarts zu mir geflogen kommt.
Zum Abschalten lese ich immer noch Fantasy-Romane, oder auf längeren Autofahrten höre ich z. B. gerade eine Trilogie namens «Die Chronik der Weitseher» von Robin Hobb. Das sind mit Abstand die besten Fantasy-Romane, die ich je gelesen bzw. gehört habe.
Bei Linus fangen wir langsam mit kleinen Geschichten an, und mit Simon schauen wir ein paar Bilderbücher an. Beide finden Bücher toll, was mich richtig freut, weil ich hoffe, dass ich sie zu kleinen Leseratten machen kann.
Passt noch ein weiteres Hobby in dein Leben?
Ja, tatsächlich ist unsere Freiberger Stute unser grösster Ausgleich zum Geschäft. Mindestens einmal in der Woche sind wir auf dem Bauernhof, wo unser Pferd steht. Das teilen wir uns mit einer anderen Familie und der Bäuerin vom Hof. Es kam ganz unverhofft, dass wir uns entschieden haben, uns daran zu beteiligen, aber das klappt nun seit 3,5 Jahren super. Und die Kinder lieben den Bauernhof.
Das ist ein Hobby, das Josias und ich schon vorher jeder für sich hatten und dann haben wir es gemeinsam nochmal aufleben lassen. Manchmal leihen wir auch ein anderes Pferd vom Hof aus und gehen z. B. auf einen Patrouillenritt, bei dem man eine Strecke abreitet und einige Aufgaben erledigen muss. Es ist wirklich etwas Schönes, was wir zusammen machen können.
Was steht auf der Liste eurer Pensionierungsprojekte?
Das ist zwar noch etwas hin, aber Josias und mein geheimer Traum ist es, ein altes Bauernhaus auszubauen und unsere eigenen Pferde dort direkt am Haus zu haben. Aber das muss nicht unbedingt erst in der Pension passieren. Vielleicht schon, wenn die Kinder selbstständig sind.
Du hast kein weiteres Buch geplant?
Nein, noch nicht. Ich wollte mal mein eigenes Kinderbuch schreiben, weil ich gemerkt habe, dass mir manche Sachen in Kinderbüchern fehlen, aber dafür habe ich derzeit einfach keine Zeit. Tief in meinem Inneren würde ich das aber noch immer gern machen. Wer weiss, ich bin ja noch jung, das kann ja noch kommen. Mich fasziniert es einfach, wie sich jemand eine Welt ausdenken kann, die dann so schlüssig ist.
Worauf freust du dich erstmal in 2025?
Wir haben unseren Urlaub schon gebucht und fahren im Sommer 10 Tage ans Meer nach Italien. Da freue ich mich sehr drauf, weil das einfach so eine Zeit ist, die nur uns gehört. Ausserdem kann Linus sich dann tagein, tagaus an «Stracciatella» und «Mozzarella» erfreuen.