Steckbrief
Jasmin Tan – zwischen England, Japan & der Schweiz
Jasmin, schön, dass du wieder da bist – wo hast du gesteckt?
Das letzte halbe Jahr habe ich in England, in Brighton, verbracht, um einen Sprachkurs zu machen.
Was hat dich genau nach Brighton gebracht?
Ich habe von Bekannten gehört, dass es eine bunte, offene, kreative und nachtaktive Stadt ist – alles Dinge, die ich super finde. Und einmal am Meer zu wohnen, war ein sehr grosser Punkt.
Montag bis Freitag hatte ich mittags Schule, und am Nachmittag bin ich mit neuen Freunden aus der Sprachschule oder Locals durch die Stadt gelaufen und musste so mein Englisch aktiv nutzen. Letztendlich habe ich Brighton sehr ins Herz geschlossen, und die Zeit hat mich persönlich einfach so in meiner Entwicklung weitergebracht.
Aber die Brighton-Zeit war gar nicht der wildeste Teil deines letzten Jahres?
Kann man so sagen, weil ich davor eine Zeit lang in Asien reisen war. Zunächst habe ich die Familie der Frau meines Vaters in Taiwan besucht. Von da aus bin ich weiter nach Japan geflogen.
Dort habe ich in Hamamatsu in der Klavierfabrik von Kawai einen Monat lang eine Weiterbildung im Bereich Flügelregulation und -stimmen gemacht. Das war wirklich super, Klavierbauer aus Finnland und Australien kennenzulernen.
Danach bin ich auch noch eine Weile in Japan geblieben, und meine Mutter und ihr Partner, meine Schwester und auch Freunde haben mich dort alle besucht. Hauptsächlich war ich in Tokio und Kyoto, da meine Mutter, als sie in meinem Alter war, lange in Kyoto gelebt hat und dort noch Leute kennt, bei denen ich wohnen konnte.
Als Letztes habe ich noch einen Abstecher nach Südkorea gemacht, wo Léia mich besucht hat. Das Ende der Geschichte war dann, dass wir beide zusammen zurück in die Schweiz geflogen sind.
Wow, was für ein Abenteuer – war das dein erstes Mal in Japan?
Nein, nicht ganz – ich war schon sehr oft drüben. Meine Mutter hat sich schon damals in ihren 20ern sehr für das Land und die Sprache interessiert und hat 20 Jahre in Kyoto gelebt. Sie ist auch Übersetzerin für die japanische Sprache geworden.
Sie liebt das Land einfach, und deswegen sind wir schon früher öfter rübergeflogen. Ich bin sozusagen mit Japan aufgewachsen. Für mich ist Japan so ein bisschen wie ein zweites Zuhause.
Die Kawai-Akademie war aber eher in einem kleinen japanischen Ort, oder?
Klein im Vergleich zu Kyoto mit 4 Millionen Einwohnern, ja. Hamamatsu hat etwa 700.000 und ist auf jeden Fall kein Touristenort. Von meiner Unterkunft bin ich jeden Morgen 15 Minuten zu Fuss zur Kawai-Akademie gelaufen.
Es gab auch zwei besondere Werkzeugläden namens Itoshin und Watanabe direkt in der Nähe der Kawai-Akademie. Da habe ich auch ziemlich zugeschlagen und mehrere Klavierbauwerkzeuge gekauft. Die sind jetzt bei mir in meinem Werkzeugkoffer.
Warum konntest du nicht anders, als zuzuschlagen?
Die werden wirklich da vor Ort produziert, und im Kurs habe ich gelernt, welche anderen Reparaturmethoden es noch gibt. Kawai macht schon gewisse Sachen ein bisschen anders, und dies wollte ich eben auch mal auf ihre Weise machen – und dafür brauchte ich einfach ihr spezielles Werkzeug.
Die Werkzeugläden waren die perfekte Gelegenheit, mir mal neue Stimmbändel anzuschaffen. Hinzu kam, dass wir einen kleinen Rabatt von Kawai bekommen haben und das alles auch einfach so schön aussah. Ja, so habe ich einfach zugeschlagen – Klavierbauhimmel.
Bist du nun froh zurück zu sein?
Ja, ich habe mich sehr gefreut, wieder Teil des Teams zu sein, wieder mit den gleichen Leuten zusammenzuarbeiten. Und alles, was ich auf meiner Reise (über mich) gelernt habe, einzubringen. Erstmal kein weiteres Klavierbauabenteuer geplant – jetzt gibt es genug zu tun bei Piano Sigrist.
Wie bist du denn zum Klavierbau gekommen?
Das Ganze kam durch meine Schwester. Als sie 7 war, hat sie beschlossen, dass sie nun Klavier spielen will. Wir hatten damals ein altes Klavier bei uns zu Hause. Dann kam ein Klavierstimmer, hat sich das angeschaut und meinte, wir müssten es ersetzen.
Ich war damals mit 14 gerade auf der Suche nach einer Lehrstelle, und so hat sich die Ausbildung zur Klavierbauerin angeboten. Der Klavierstimmer meinte, dass es sowieso zu wenige Leute gibt, die das lernen. Daher habe ich mal reingeschaut und fand das ziemlich cool. Letztendlich kam ich also zum Klavierbau ein bisschen durch Zufall, weil meine Schwester angefangen hat, Klavier zu spielen. Bis heute sage ich immer, dass sie besser spielt als ich.
Das heisst, du hast vor der Lehre selber nicht Klavier gespielt?
Nein, aber Gitarre habe ich gespielt – genau wie Laura. Damit habe ich in der ersten Klasse angefangen und das etwa 9 Jahre bis zur Klavierbaulehre durchgezogen. Ab da habe ich Klavier gespielt, und jetzt weiss ich nicht, ob ich noch Gitarre spielen könnte.
In Brighton hast du also nicht Gitarre am Strand gespielt?
Nein, da hatte ich keine Gitarre, aber auf der Strasse haben Leute teilweise Gitarre gespielt, das war schön. Ich habe aber in Brighton beschlossen, dass ich wieder Klavierunterricht nehmen will. So habe ich mich während der Zeit dort darauf konzentriert, ein paar Stücke von Yann Tiersen aus dem Film „Amélie“ zu lernen. Jetzt kann ich 3 davon gut und spiele die auch ab und zu gerne. Am liebsten mag ich “La valse d’Amélie”.
Hast du noch andere Instrumente ausprobiert?
Von der Schule aus mussten wir mal ein Streichinstrument spielen, und da habe ich mich für den Kontrabass entschieden. Ich war die einzige in der Klasse, die Kontrabass gespielt hat. Und gleichzeitig war ich auch eine der kleinsten in der Klasse – das war lustig, ich mit dem riesigen Kontrabass.
Jetzt, wo du wiedergekommen bist, ist dir irgendein Instrument bei Piano Sigrist ins Auge gefallen?
Der August Förster 215, der gefällt mir sehr. Ich glaube, ich war beeindruckt, dass unsere eigenen Hammerköpfe da drin sind. Und ich finde den Klang einfach sehr, sehr schön. Spielt sich auch sehr angenehm.
Wie sieht nun eine typische Arbeitswoche für dich aus?
Ich arbeite zurzeit 60 % und bin montags und dienstags im Aussendienst am Stimmen. Mittwochs bin ich dann entweder in der Werkstatt oder Springerin für den Aussendienst, aber werde in Zukunft auch mehr Kundenberatung machen.
Was ist denn dein Ausgleich zur Arbeit?
Ich mache Capoeira, einen Kampftanz, das nimmt mich gerade sehr ein. Ich lese auch viel mehr jetzt, wo ich die Zeit dazu habe, und ich mache viel mit Freundinnen von mir, was auch sehr schön ist.
Ich gehe ausserdem oft auf kleine Konzerte in links-politischen Räumen, was dann meistens Rock- oder Punkkonzerte sind. Politik ist mir im Allgemeinen sehr wichtig, insbesondere Feminismus. So bin ich zum Beispiel auch ein grosser Fan von unserer Nationalrätin Anna Rosenwasser, die als Erste Bundeshausführungen gratis anbietet.
Was ist Capoeira?
Capoeira kommt aus Brasilien, aus der Zeit, als der Sklavenhandel noch sehr rege war. Es war die Sportart, mit der sich Sklaven gegen ihre Besitzer gewehrt haben und dementsprechend war es zunächst eine Kampfkunst.
Dann wurde es verboten, und nur dadurch, dass sie so Drehelemente und ein bisschen Tanz reingebracht haben, wurde das Verbot wieder aufgehoben.
Heute sieht es aus wie ein Kampf, mit Kicks und Verteidigungen, aber man tut sich nicht gegenseitig weh – es ist mehr ein Miteinander. Capoeira mache ich schon seit der ersten Klasse und liebe es immer noch.
Was hörst du denn so für Musik?
Ziemlich viel, bei mir ist das komplett stimmungsabhängig. Ich habe Rock-, Hip-Hop-, Klassik-, Metal- oder Punkphasen.
Teilweise laufen auch japanische Sachen. Früher habe ich mir viel Animes angeschaut, inzwischen eher selten. Die Titelmelodien von Animes sind oft japanischer Rock. Daraus haben Freundinnen und ich damals eine Playlist gemacht und dazu zusammen Karaoke gesungen. Ich liebe Karaoke immer noch – heute singen wir zwar keine japanischen Anime-Openings mehr, aber treffen uns trotzdem noch zum Singen.
Zum Abschluss – wenn du 10 Millionen Euro hättest, was würdest du machen?
Ich denke, ich würde sicherstellen, dass ich einen Flügel habe und ein Haus, also dass ich abgesichert bin. Soziale Anliegen sind mir sehr wichtig, von daher würde ich wahrscheinlich einen Grossteil spenden an Leute oder Tiere, die es zum Überleben nötig haben.
Was ich die ganze Woche lang machen würde? Mich so einem sozialen Projekt anschliessen und dann weiter an irgendwas basteln, um mich kreativ auszuleben. Sei das ein Klavier oder sonst etwas anderes. Oder ich würde viel lesen, vielleicht ein Buch schreiben – ich habe mich ähnlich wie Laura mal an Geschichten probiert.
