Noëmi Bischof
Noëmi Bischof
Noëmi, wann hat das mit der Musik bei dir angefangen? War deine Familie auch schon so musikalisch?
Mein Vater war klassischer Sänger, aber auch Chorleiter, Komponist und hat ganz viel verschiedene Musik gemacht – von klassischer Musik über Rockmusik bis hin zu osteuropäischer Volksmusik.
Meine Mutter hat privat auch Musik gemacht und kommt aus einer sehr musikalischen Familie – von daher war es ein sehr musikalischer, kreativer Haushalt, in dem ich gross geworden bin, ja.
Was Musikalisches hast du zuerst gemacht? Singen, Klavier spielen oder war es das Tanzen?
Stimme, Sprache und Bewegung – eigentlich diese gesamte Kombination, war von früh auf wichtig für mich und habe mich da unterschiedlich ausgelebt. In der Bewegung war vor allem das Tanzen und dann später auch die Zirkusartistik ein wichtiger Teil. In der Primarschulzeit habe ich dann Klavier spielen gelernt und Querflöte, und sonst auch immer die verschiedensten Instrumente ausprobiert – ich liebe es zu experimentieren.
Musik ist Bewegung, wie auch Bewegung zu Musik werden kann. Und mir gibt das Singen, Lieder auf der Bühne zu präsentieren, ein ähnliches Gefühl wie zu tanzen. Am Ende ist es für mich wahrscheinlich dasselbe. Es ist mein Versuch, die eigene Sprache zu finden und sich auf den Weg zu machen, damit zu erzählen.
Du bist auch Musik- und Bewegungspädagogin?
Ja, und ich arbeite in dem Beruf jetzt seit bald 8 Jahren. Das heisst unter anderem, dass ich Kinder in musikalischer Grundbildung an der Primarschule unterrichte und arbeite da sehr viel über den gesamten Körper in Bewegung. Zusätzlich bin ich immer wieder freischaffend in Projekten tätig und Mentorin für Erwachsene.
Wann genau hast du angefangen, selbst Songtexte zu schreiben?
Das war in meiner Jugendzeit. Ich glaube da wurde das Geschichtenerzählen durch die Musik immer wichtiger. Mit meiner damaligen Jazz-Gesangslehrerin, habe ich damit angefangen – irgendwie sind wir dazu gekommen, auch selbst Lieder zu komponieren und Liedtexte zu schreiben. Bis vor 6 Jahren waren meine Liedtexte aber immer auf Englisch, erst danach bin ich auf Schweizerdeutsch umgeschwenkt.
Was hat den Umschwung ausgelöst?
Ich bin ein Mensch, dem ist es sehr wichtig, dass das, was ich künstlerisch mache, sich für mich authentisch anfühlt. Eine ganze Weile lang war ich hauptsächlich in der Jazz- und Soulmusik unterwegs und das war bis dahin auch genau die richtige Musik für mich.
Doch als ich dann meine persönliche Mundart immer mehr lieben lernte, mit allen Dialekt-Einflüssen, die mitspielen, spürte ich eine tiefere Verbundenheit – was mir beim Singen von englischen Liedern wahrscheinlich immer ein wenig gefehlt hat. Aus der Mundart heraus hat sich dann auch das Genre entwickelt.
Ich hatte zuvor auch einige Jahre lang mal keine Lieder geschrieben, weil nichts entstehen konnte. Dann muss ich auch nichts forcieren und habe lieber andere kreative Dinge gemacht, unter anderem bei Tanz-Performances mitgewirkt wie z. B. bei der Eröffnung des «Hallo Tod»-Festivals oder Inszenierungen erarbeitet.
2019 befand ich mich dann innerhalb weniger Tage in der schwierigsten Zeit meines Lebens. Mein Vater ist an ALS erkrankt und dann zirka zwei Jahre später verstorben. Diese Situation hat zusätzlich Strukturen zwischen meiner Mutter und mir aufgezeigt, von denen ich lernen musste mich zu schützen und lösen. Ich wandte mich an professionelle Netzwerke und Personen, um Stütze zu haben und konnte so nach und nach verstehen, verarbeiten und für mich einstehen.
Dieser Prozess war, und ist nach wie vor, wie neu gehen zu lernen. Dazu brauchte ich auch dringend eine kreative Aussprache und Orientierung. Irgendwann habe ich mich intuitiv ans Klavier gesetzt und gleichzeitig mit meiner Mundart getextet – es war für mich eine Lebensnotwendigkeit.
Singen die Leute nun auch manchmal mit bei deinen Kreationen, wenn du auftrittst?
Ja schon, ich sage, wenn Sie möchten, dürfen Sie sehr gerne mitsingen. Manche Melodien oder Texte sind sehr repetitiv, oder es gibt ein Summen und ich mag es, wenn Harmonien zusammen mit dem Publikum spontan entstehen. Es darf auch wie eine Art Mantra sein für die Zuhörenden. Das Lied «OK» ist so ein Beispiel. Das sind dann sehr berührende Momente.
Oder das Letzte von den 12 Liedern auf meinem Album heisst „Die alti Wösch (Goodbye)“ – da singen die Menschen oft mit, vor allem die, die es schon kennen. Ich habe so eine Handvoll treuer Menschen – die kommen oft an die Konzerte, egal wo ich bin.
Davon haben mich auch einige bei dem Crowdfunding unterstützt, mit dem ich das Album finanziert habe – und alle Unterstützenden sind natürlich auch zum Werkstattkonzert am 11. Juli eingeladen. So ein Crowdfunding ins Leben zu rufen, dass die Menschen Teil davon sein können – das ist eine der schönsten Sachen, die ich je in meinem Leben erleben durfte, dass das so machbar war.
Kann man dich auch privat buchen für eine Geburtstagsfeier?
Ja, das mache ich auch ab und zu. Wenn es der Wunsch ist, dass ich mit meinen Liedern auftrete, und ein stimmiger Rahmen möglich ist, komme ich zu Geburtstagsevents. Ich war zweimal für ein sogenanntes „Lebensfest“ engagiert, um das Leben zu feiern, weil sie meinten, meine Texte passen gut dazu.
Bei dem einen waren lauter Familien mit Kleinkindern im Publikum und es haben alle ganz aufmerksam gelauscht – das war wunderschön. Ich lasse mich immer gerne überraschen, wo meine Musik reinpasst, und wo sie mich hinführt.
Wie hast du den einen Flügel für deine Album-Aufnahme ausgesucht?
Quirin Streuli, der die Aufnahmen gemacht hat, und ich haben uns zuerst mit Josias die Werkstatt angeschaut – und dann meinte er zu mir: „Such nach deinem Klang.“ Das war wie ein kleiner Traum für mich. Ich liebe die Handwerks-Atmosphäre, und wenn ich mich dann an einen Flügel setzen, darauf spielen und dazu singen kann, spüre ich sehr schnell, ob ein Klang und auch eine Haptik für mich in dem Moment stimmt oder nicht. Ob er meine Lieder passend erzählen kann.
Dann war es eigentlich ziemlich schnell klar, dass es der August Förster 215 PS Special Edition wird. Wie soll ich es beschreiben? Es war einfach alles dabei, was ich mit meinen Liedern ausdrücken will.
Der Flügel hat die richtige Mischung von Wärme und Tiefe, aber auch Weite und Helligkeit – viele blaue, aber auch gelbe Klangfarben in meinem Empfinden. Und dann hat es sich einfach noch unter meinen Fingern wunderbar angefühlt. Wir haben letztendlich das Album in 5 Tagen aufgenommen. Beim Werkstattkonzert werde ich auch ab und zu kleine Geschichten zu der Entstehung dieser 12 Lieder erzählen.
Wo kann man dann dein Album nach dem Werkstattkonzert hören?
Auf allen gängigen Plattformen – inklusive Spotify. Das wird jetzt mal ausschliesslich ein digitaler Release. Ich habe irgendwann gemerkt, ich bin jetzt bereit, und die Musik soll einfach mal raus in die Welt, auch wenn es noch keine physische CD, LP oder auch ein Text-Booklet dazu gibt. Das wären dann weitere Ideen, Projekte …
Was wünschst du dir für die Schweizer Musikszene?
Es fehlt mir tatsächlich oft die Verbindung von Musik und Text, also die Musikalität der Mundart-Sprache selbst. Die Poesie. Aber auch eine Aussagekraft in den Liedern. Es wird meiner Meinung nach viel reproduziert, um zu «passen». Was so schade ist, denn wir hätten eine solche Vielfalt, Tiefe und Humor in den unterschiedlichsten Dialekten. Auch in Verbindung mit den verschiedensten Genres.
Ich wünsche mir da also mehr Mut zu eigenem Ausdruck, mehr Kreativität. Ich weiss, wie schwierig es sein kann aus dem Gewohnten auszubrechen, deshalb wünsche ich mir auch mehr Platz und Offenheit von den Veranstaltern, Radio/TV etc. für das Verschiedene. Wenn wir Musik hören, wollen wir berührt werden und uns darin wiedererkennen können.
Was ist deine grösste Inspirationsquelle für die Lieder?
Sehr selten entstehen meine Ideen aus Musik. Eher aus der bildenden Kunst. Auch mal, wenn ich in einem Museum bin. Ausserdem entstehen viele meiner Ideen, inneren Bildern, Gefühlen für Texte oft in Momenten, die ich in der Natur verbracht habe. Oder bei Gesprächen mit Menschen. So simpel wie es klingt, aber der Austausch mit Menschen ist eine meiner reichhaltigsten Inspirationsquellen.
Du sagtest mal, ein Album zu veröffentlichen war bis vor 2 Jahren noch verrückt, und jetzt machst du das. Hast du noch andere verrückte Sachen vor dieses Jahr?
Nein, in diesem Jahr geht es vor allem darum, das Ganze einfach mal zu geniessen und loszulassen. Das ist vielleicht das Verrückteste daran. Früher habe ich 7 Sachen gleichzeitig gemacht – ob Musik, Tanz, Theater, Schulunterricht usw. – allerspätestens durch die letzten Jahre habe ich gelernt, das nicht mehr zu «müssen»- und vor allem nicht mehr zu wollen. Lieber Idee für Idee, Moment für Moment.
Ich will das, was ich mache, geniessen. Heute stehe ich zu 100 % hinter dem, was ich tue, und das war früher nicht immer so. Jetzt mache ich es, und deshalb will ich das wirklich erleben und geniessen können.
